Medizin-Geschichten

Die Heilpflanze des Monats April 2015
Kurioses, Bizarres, Interessantes

Folge 36: Salomonssiegel (Polygonatum officinale)

Weiße Blüten hängen wie Glöckchen an den Blütenstängeln. Nein, nicht vom Maiglöckchen ist die Rede, sondern von einer verwandten Pflanze: vom sagenumwobenen Salomonssiegel.
Der eigenartige Name bezieht sich auf die Form des Rhizoms. Jedes Jahr bildet das Rhizom des Salomonssiegels einen neuen Spross, von dem der Stängel austreibt. Im Herbst stirbt der Stängel und bricht vom Rhizom ab. Das hinterlässt eine runde Narbe, die einem Siegel ähnelt. Nebenbei: Der Wurzelstock ist weiß, das hat der Pflanze einen anderen Namen eingebracht: Weißwurz.

Weshalb die Pflanze nach König Salomo benannt ist, hat mit ihrem Geheimnis zu tun. König Salomo soll weise genug gewesen sein, das ganze Potential der Weißwurz zu erkennen und sich dieser Zauberpflanze bedienen zu können.

Das Salomonssiegel soll nämlich die geheimnisvolle „Springwurz“ sein, die nur der Specht zu finden weiß. Um an die Pflanze zu gelangen, muss man die Öffnung zum Nest des Spechts zukleistern. Dann sucht der Vogel nach der Wurzel, um den Eingang zu seinem Nest zu öffnen. Bleibt nur noch, den Specht zu erschrecken, damit er die Wurzel fallen lässt. Wer die Springwurz besitzt, dem öffnen sich überall Türen und Tore wie auf Zauberschlag, und er kann große Schätze finden. Zurück zu König Salomo. Er wusste um die Zauberkraft der Pflanze und setzte sie ein, um Felsen zu sprengen, damit er seinen Tempel bauen konnte.

Das Salomonssiegel hat weitere hübsche Namen, etwa Jungfernschön oder Schminkwurz. Denn früher färbten sich die jungen Frauen damit die Backen rot. In Italien des 17. Jahrhunderts verwendeten die Frauen die Weißwurz für einen guten Teint, denn sie ließ Altersflecken und Sommersprossen verschwinden. Salomonssiegel galt außerdem als Aphrodisiakum und war Bestandteil vieler Liebestränke.

Das Salomonssiegel hat eine lange Geschichte als Heilpflanze und wird in der Volksmedizin immer noch eingesetzt, etwa bei Blutergüssen, Prellungen, Gicht, Menstruationsbeschwerden, Husten oder Obstipation. Es ist auch ein gutes Beispiel für die so genannte Sympathielehre, nach der Pflanzen, häufig Bäume, Krankheiten in sich aufnehmen konnten, was den kranken Menschen gesund machte. Sie zogen praktisch die Krankheit vom Patienten ab. Dazu musste man ein Stück der Pflanze mit sich herumtragen oder Teile des Körpers wie Haare oder Fingernägel der Pflanze übergeben. Eine weitere Methode war, durch das Gewächs zu kriechen. In der englischen Grafschaft Sussex gab es zum Beispiel den Brauch, dass kleine Kinder mit Hautkrankheiten geheilt würden, wenn sie neunmal an neun aufeinanderfolgenden Tagen bei Sonnenaufgang durch ein Brombeergebüsch kriechen…

Auch dem Salomonssiegel wurde eine derartige Heilkraft zugesprochen: Ein Stück des warzigen Wurzelstocks bei abnehmendem Mond in der Tasche getragen sollte Hühneraugen aus dem Körper ziehen. Eine rundum nützliche Pflanze also.

Quellen:
u.a. Gerhard Madaus: „Bioheilmittel“ und verschiedene Internetseiten

Ursula Armstrong | Redaktion | Sperberweg 2 | D-82152 Krailling | Telefon: +49 (0) 163 / 313 21 10 | e-mail: mail@uschi-armstrong.de | www.redaktion-armstrong.de

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Rotznase – das ist ein weiterer Name des Salomonssiegels. Das geht natürlich auf den grünlichen Saum der langen weißen Blütenglöckchen zurück. Die Blüten duften zart nach Bittermandel – was übrigens Kaninchen fernhalten soll. Die Wurzel und die zarten jungen Triebe sind genießbar. Die Wurzel kann wie Spargel gekocht werden. Alle anderen Teile, besonders die Beeren, sind aber giftig.
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